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Frag Wiedemann! Die Online-Sprechstunde – Folge 9: Inkontinenz im Urlaub

Im Interview mit ACTICORE beantwortet Prof. Dr. med. Andreas Wiedemann Fragen rund um den Beckenboden. In der neunten Folge geht es um Freiheit trotz Inkontinenz im Urlaub.

  • Prof. Dr. med. Andreas Wiedemann ist Chefarzt der Urologischen Klinik am Evangelischen Krankenhaus Witten und unterrichtet am Lehrstuhl für Geriatrie der Universität Witten/Herdecke.
  • In der Interviewserie "Frag Wiedemann" beantwortet er alle Fragen zum Thema Inkontinenz und Blasenschwäche.
  • In Folge 9 geht es um Urlaub, Freiheit und Wege gegen Inkontinenz.

Unbeschwerter Urlaub trotz Inkontinenz – ist das möglich?

 

Was mache in Borkum am Strand?

Sie beschreiben hier ein drängendes Problem, das gleich mehrere Aspekte offenbart: Wenn ich Urin verliere, gibt es Situationen, die werden für mich zum Horror. Ob es Beachvolleyball im Bikini ist, eine lange Busfahrt oder einfach ein Kaffeekränzchen, bei dem sich alle lustig machen. Was ich in meiner Sprechstunde erlebe, dass die Betroffenen solche Aktivitäten bewusst oder unbewusst vermeiden. Medizinisch sprechen wir von einem Verlust an Lebensqualität.

 

Aber ist das denn so schlimm, nicht mehr Bus zu fahren?

Na ja, es ist ein schleichender Prozess. Erst ist es nur das Busfahren, hinterher sind es fast alle Freizeitaktivitäten außer Haus, am Schluss steht Einsamkeit und Depression. Hier heißt es aus meiner Sicht: Wehret den Anfängen! Denn zum gesunden Altern gehört auch genau das: Kino, Theater, Sport, Reisen – wenn ich dies wegen eines vermeidbaren Problems aufgebe, büße ich einerseits Lebensqualität ein, andererseits verschlimmere ich wiederum meine Inkontinenz.

 

Wie das?

Nun, wir wissen, dass der Verlust an Sozialkontakten und das Vermeiden von Aktivitäten jeglicher Art zu einer "Regression" führt. Gemeint ist, dass sowohl geistige Mobilität als auch körperliche Fitness verloren gehen. Und beides ist für eine gesunde Blase und einen intakten Beckenboden eminent wichtig.

Vaginale oder rektale Elektroden sind vermeidbar – Beckenbodentraining nicht

 

Was ist aus Ihrer Sicht zu tun?

Wer bemerkt, dass er im Gegensatz zu "früher" Hobbys, Kontakte oder Aktivitäten aufgibt, der sollte sich selbst ein "Stoppschild" aufstellen. Es gilt, etwas zu tun. Das kann z. B. sein, unkompliziert mit einem Beckenbodentraining zu beginnen. Wer in Zeiten der Pandemie dies nicht mit vielen Kontakten etwas in Physiotherapiepraxen oder im Fitnesskurs möchte und gezielt trainieren will, der kann in Eigenregie mit einem Training beginnen.

 

Meinen Sie Geräte, in denen vaginale oder rektale Elektroden eingeführt werden müssen?

Aus meiner Sicht sind diese nur im Einzelfall die Lösung. Heute gibt es auch die Möglichkeit, "non-invasiv" über ein Gerät, auf dem ich sitze, zu trainieren. Das senkt nach meiner Meinung die Hürden, ein Beckenbodentraining zu beginnen und auch andauernd fortzuführen. Denn eines ist sicher: Wenn ich nicht jeden Tag regelmäßig übe, werde ich keine anhaltenden Effekte erzielen.

 

Und was mache in in Borkum am Strand?

Häufig gelingt es schon, nach einigen Wochen die Inkontinenz wieder in den Griff zu bekommen. Und wenn ich in besonderen Situationen eine besondere Sicherheit brauche, - warum dann nicht ein Hilfsmittel nehmen. Das kann dann aber auch zu. B. ein Inkontinenztampon oder eine spezielle Inkontinenzeinlage sein – hier sollte ich mich von einem Fachmann in der Apotheke oder im Sanitätshaus beraten lassen und ich nicht beim Discounter bei üblichen Hygieneprodukten bedienen.

 

Herr Professor Wiedemann, vielen Dank!

Gerne.

  

Dieser Beitrag wurde am 07.10.2021 von ACTICORE veröffentlicht.