Im Interview mit ACTICORE beantwortet Prof. Dr. med. Andreas Wiedemann Fragen rund um den Beckenboden. In der fünften Folge geht es um Inkontinenzeinlagen, Inkontinenzhöschen – und bessere Optionen.
- Prof. Dr. med. Andreas Wiedemann ist Chefarzt der Urologischen Klinik am Evangelischen Krankenhaus Witten und unterrichtet am Lehrstuhl für Geriatrie der Universität Witten/Herdecke.
- In der Interviewserie "Frag Wiedemann" beantwortet er alle Fragen zum Thema Inkontinenz und Blasenschwäche.
- In Folge 5 geht es um eine bessere Alternative zu Inkontinenzeinlagen, Slipeinlagen und Inkontinenzhöschen.
Inkontinenzhöschen sind meisten keine Reizwäsche – es gibt eine bessere Alternative
Werde ich die Slipeinlage wieder los bzw. kann Inkontinenz schlimmer werden?
Inkontinenzvorlagen sind aus meiner Sicht ja eher eine Notlösung. Sie geben Sicherheit, wenn „Mal“ ein Malheur passiert – und wenn es sich um ein Produkt gegen Inkontinenz wie Einlagen handelt, das dem Bedarf angepasst wurde – von mir aus.
Was heißt "dem Bedarf anpassen"?
Viele Frauen nehmen ein Produkt, ohne es an die Menge an anfallenden Verlustes von Urin anzupassen. So sehe ich immer wieder, dass beispielsweise Slipeinlagen mit Klebestreifen (mit einer Saugkraft von 5 ml nicht sonderlich saugstark) als Inkontinenzeinlagen verwendet werden – das aber 10 x am Tag. Oder dass Inkontinenz-Pants als Unterwäsche und vermeintliche Alternative zu Inkontinenzeinlagen verwendet werden (Saugkraft 200 ml), obwohl nur 20 ml am Tag verloren gehen.
Und warum ist das ungünstig?
Nun, bei dem ersten Beispiel ist die Gefahr groß, dass trotz Inkontinenzeinlagen, egal wie saugstark, doch „etwas“ in die Hose geht und die Betreffende aus Angst vor einem Malheur nicht an Freizeitaktivitäten teilnimmt, beim zweiten Beispiel leidet die Haut durch ein zu dickes und zu warmes Material der Einlagen. Aber da ist die Werbung ja verführerisch: Die schwarz eingefärbte Inkontinenzhose oder Unterwäsche gegen Inkontinenz an schlanken, attraktiven 50-jährigen Frauen suggeriert, dass man nichts weiter tun muss, als das richtige aufsaugende Hilfsmittel wie Inkontinenzeinlagen (möglichst aus eigener Tasche, denn die Krankenkasse zahlt schwarze „Inkontinenzreizwäsche“ nicht - egal von welchem Hersteller -, sondern nur Standard-Inkontinenzeinlagen mit deutliche weniger Sexappeal) zu kaufen. Das glauben dann übrigens auch viele Männer.
Beckenbodentraining gegen Schließmuskelschwäche
Was kann ich denn selbst tun?
Aus meiner Sicht ist das A und O, den beeinflussbaren Teil des Kontinenzproblems in den Griff zu bekommen. Das ist die Schließmuskelschwäche, die ich mit Beckenbodentraining verbessern kann. Auch eine Reizblase profitiert davon – mit einem Beckenbodentraining kann ich also gar nichts verkehrt machen.
Viele Patienten mögen nicht in eine Physiotherapiepraxis – was können Sie diesen empfehlen?
Ich rate auf jeden Fall von einem Beckenbodentraining nach einer Internet-Anleitung ab - das gilt für Männer wie für Frauen. Da wird bestimmt nicht richtig trainiert. Sinnvoller ist ein Gerät, dass a) leicht zu bedienen ist, b) bei dem nichts in den Körper eingeführt und hinterher gereinigt werden muss und c), das ein Üben auch im Büro oder in der Bibliothek ermöglicht.
Gibt es denn so etwas?
Natürlich. Intelligentes Beckenbodentraining geht heute über den Damm, mit einer visuellen Rück-Kopplung über eine App. So geht Beckenbodentraining heute, auch für Männer.
Ein starker Beckenboden schützt vor Katastrophen
Sehe ich das richtig, dass ein solches Training auch vor einem Schlimmerwerden der Inkontinenz schützt?
Genau. Im Alter kommen viele Einflussfaktoren hinzu, die die Kontinenzlage verschlechtern. Zuckerkrankheit, neurologische Erkrankungen, Medikamente, Immobilität... Wer mit einem „guten“ Beckenboden ins Alter startet, ist vor Katastrophen ziemlich sicher.
Herr Prof. Wiedemann, vielen Dank!
Nicht dafür.