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Frag Wiedemann! Die Online-Sprechstunde – Folge 15: Hilfe! Mein Kind nässt ein

Im Interview mit ACTICORE beantwortet Prof. Dr. med. Andreas Wiedemann Fragen rund um den Beckenboden. In der fünfzehnten Folge geht es um das Bettnässen bei Kindern.

  • Prof. Dr. med. Andreas Wiedemann ist 1. Vorsitzender der Deutschen Kontinenz Gesellschaft, unterrichtet am Lehrstuhl für Geriatrie der Universität Witten/Herdecke und ist Chefarzt der Urologischen Klinik am evangelischen Krankenhaus Witten.
  • In der Interviewserie "Frag Wiedemann" beantwortet er alle Fragen zum Thema Beckenboden, Blasenschwäche und Inkontinenz.
  • In Folge 15 geht es um die richtigen Strategien für Eltern, deren Kinder einnässen.

Mein Kind nässt ein, was kann ich tun?

 

Herr Prof. Wiedemann, mein Sohn ist jetzt 5 und ab und zu ist das Bett nachts immer noch nass. Was soll ich tun? Ich bin langsam verzweifelt! Mit unserer Tochter – 7 Jahre alt – hatten wir nie solche Probleme.

Als Erstes gilt: Ruhe bewahren! Nicht alle Kinder sind „pünktlich“ trocken. Bei manchen passiert das früher, bei manchen später. Wir rechnen damit, dass von den Kindern, die nachts einnässen, jedes Jahr etwa 10 % trocken werden. Schwieriger ist es schon, wenn auch tagsüber die Hose nass ist. Dann könnte eher eine ernste Ursache dahinter stecken.

 

Was kann ich als Mutter denn tun?

Auf keinen Fall Vorwürfe machen oder schimpfen, auch wenn es – der unterbrochenen Nachtruhe geschuldet – schwerfällt. Lieber loben bei trockenen Nächten und das Lob verstärken! Es hilft z. B. ein Kalender, in den das Kind eine Sonne bei einer trockenen Nacht und eine Wolke bei einer „nassen“ Nacht malt.

 

Kann man das nicht beschleunigen?

Aus Erfahrung weiß ich, dass es manchmal Situationen gibt, die scheinbar einen Druck erzeugen. Die Klassenfahrt oder die Übernachtung bei einer Freundin können solche Anlässe sein. Aber glauben Sie mir: diesem Druck sollten Sie sich nicht aussetzen. Lieber abmelden oder der Klassenlehrerin bzw. den Betreuern reinen Wein einschenken – die kennen das Problem.

Bettnässen beim Kind: Wann muss ich zum Arzt?

 

Und wann ist der Arzt gefordert?

Das kommt darauf an. Wenn wirklich jede Nacht „nass“ ist oder das Kind zusätzlich Harnwegsinfekte hat, wird eher abgeklärt, als wenn es sich nur um ein gelegentliches Problem handelt. Einen genauen Zeitpunkt, so nach dem Motto „Jetzt wird abgeklärt“ gibt es nicht.

  

Und was macht der Arzt?

In einem ersten Schritt wird der Urin untersucht und geschaut, ob die Blase leer wird. Ganz wichtig auch, dass der Stuhlgang reguliert wird. Viele bettnässende Kinder haben eine Verstopfung – und wenn die gelöst wird, hat sich oft das andere Problem aus gelöst. In einem nächsten Schritt wird ein Blasentagebuch geführt und gemessen, wie viel die Blase fasst und bei einer Harnstrahlmessung ein Beckenboden-EMG abgeleitet. Es wird geschaut, ob dieser bei dem Wasserlassen entspannt. Viele Kinder haben sich nämlich ein „falsches“ Wasserlassen antrainiert. In dieser Phase setzen viele Urologen bereits Medikamente ein. Diese haben im Wesentlichen 2 Angriffspunkte: 1. Sie beruhigen die Blase oder konzentrieren 2. Den nächtlichen Urin, sodass die Blase mit einer geringeren Urinmenge umgehen kann. Von „Klingelhosen“ oder „Klingelmatratzen“, die die Kinder bei dem ersten Tropfen wecken, halte ich persönlich wenig, weil es sich – nachgewiesenermaßen – nicht um ein Problem der Schlaftiefe handelt. 

  

Herr Prof. Wiedemann, vielen Dank!

Gerne.

  

Dieser Beitrag wurde am 10.05.2023 von Acticore veröffentlicht.