Ob Husten, Niesen oder Lachen: Wer hierbei Urin verliert, ist keineswegs eine Ausnahme. Hier ein paar Fakten zum Tabu-Thema Inkontinenz – für den Smalltalk beim nächsten Party-Büfett oder das anregende Gespräch in der Toilettenwarteschlange danach.
Was heißt eigentlich „Inkontinenz“?
Jetzt mal Klartext: Inkontinenz ist die fehlende oder mangelnde Fähigkeit des Körpers, den Blasen- und/oder Darminhalt sicher zu speichern und selbst zu bestimmen, wann und wo er entleert werden soll. Die Folgen: Unwillkürlicher Urinverlust oder Stuhlabgang.
Ursache ist eine Störung des fein aufeinander abgestimmten Wechselspiels der beteiligten Muskelgruppen: Blasenmuskel, Schließmuskel und der Beckenbodenmuskulatur mit dem Musculus Levator ani, dem – so der Name - „Heber des Afters“. (Quelle: Deutsche Kontinenz Gesellschaft e.V.)
Inkontinenz – Ein Allerweltsproblem?
Jeder Tropfen zählt: Von Inkontinenz sprechen Experten bereits ab einem Tropfen Urin, der unwillentlich in die Hose geht. Etwa jeder Zehnte, so vorsichtige Schätzungen, hat ein Inkontinenz-Problem.
Allein in Deutschland sind rund 9 Millionen Kinder, Frauen und Männer betroffen und in ihrem Alltagsleben mehr oder weniger stark beeinträchtigt. (Quelle: Deutsche Kontinenz Gesellschaft e.V.)
Inkontinenz ist kein „Frauending“
Inkontinenz betrifft nicht nur Frauen: Mit Blasenschwäche hat sowohl das schwache als auch das starke Geschlecht zu kämpfen. Frauen sind beim Thema Inkontinenz aber auch von Natur aus anatomisch benachteiligt.
Ihr Beckenboden – ein aus Muskeln und Bindegewebe bestehendes „Auffangnetz“ für die inneren Organe hat drei Öffnungen (für Harnröhre, Vagina und Enddarm), der Beckenboden von Männer hat lediglich zwei. Dadurch sind Frauen anfälliger für Formen von Harninkontinenz, die durch eine zu schwache Beckenbodenmuskulatur ausgelöst werden.
Allerdings sind Männer dennoch nicht „fein raus“. Über veranlagte oder altersbedingte Formen der Inkontinenz hinaus ist eine vergrößerte Prostata häufig Ursache einer Inkontinenz beim Mann. Auch nach einer Operation der Prostata sind Probleme beim Wasserhalten und Blasenschwäche üblich. In allen Fällen ist eine Stärkung der Beckenbodenmuskulatur der richtige Weg, um dem Schließmuskel der Blase „unter die Arme zu greifen“ und Urinverlust zu vermeiden. In den meisten Fällen ist dabei sogar eine Rückgewinnung einer gänzlichen Kontinenz möglich und sogar üblich.
Inkontinenz ist keine Frage des Alters
Von wegen nur Kleinkinder und Alte: Nicht selten haben auch Frauen und Männer schon mit Mitte dreißig erstmals Probleme mit der Beckenbodenmuskulatur. Gründe für eine Blasenschwäche können psychische Belastungen sein, organische Störungen wie eine akute Blasenentzündung, aber auch eine Geburt oder eine Prostata-OP. Häufig wird dabei die Muskulatur des Beckenbodens beeinträchtigt und geschwächt.
Gegen Inkontinenz kann man nichts machen, oder?
Wer das sagt, der irrt: Inkontinenz ist kein unabänderliches Schicksal. Jede Form der Blasenschwäche lässt sich heutzutage behandeln. Bevor Medikamente oder eine OP ins Spiel kommen, empfehlen Ärzte jedoch „konservative Maßnahmen“, die auch jeder selbst anwenden kann: regelmäßiges Training der Beckenbodenmuskulatur. Besonders effektiv: Training mit „Biofeedback“, bei dem mittels eines Sensors von außen die Kontraktion der angesteuerten Muskeln gemessen wird.
Verschiedene Formen der Inkontinenz
Die üblichsten Formen der Inkontinenz sind die Belastungsinkontinenz, die Dranginkontinenz und die Überlaufinkontinenz.
Eine Belastungsinkontinenz zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass sie bei alltäglichen Situationen wie Husten, Niesen, Heben, Tragen oder Lachen zu ungewolltem Harnabgang führt. In den meisten Fällen ist hier der Schließmechanismus aus äußerem und innerem Schließmuskel der Harnröhre geschädigt.
Die Dranginkontinenz ist vergleichbar mit einem „Überfall“. Wie aus dem Nichts heraus tritt ein heftiger Harndrang auf, der im schlechtesten Fall zu einer unkontrollierten Entleerung der Blase führt. Ursachen einer Dranginkontinenz sind nicht selten eine Blasenentzündung, ein instabiler Blasenmuskel oder auch ein Tumor.
Die Überlaufinkontinenz ist dabei auf den ersten Blick so etwas wie das Gegenstück. Hierbei ist es zumeist in der Blase verbliebener Restharn, der beim Wasserlassen nicht entleert werden konnte, der ungewollt abgeht. Männer sind häufiger als Frauen von den Symptomen einer Überlaufinkontinenz betroffen. Ursachen sind häufig Nervenschädigungen, eine blockierte Harnröhre (nicht selten ausgelöst durch Harnsteine oder sogar Tumore) oder eine Vergrößerung der Prostata. Wichtig ist, dass eine unbehandelte Überlaufinkontinenz zu einem deutlich höheren Risiko einer Niereninsuffizienz führen kann. Grund hierfür ist, dass ein Urin-Rückstau in Harnleiter und Nieren gelangen kann, was im schlimmsten Fall zu einer Harnvergiftung führt.
Sexueller Lustspender
Der Musculus Levator Ani, der – auf Deutsch „Heber“ – ist der zentrale Muskel des Beckenbodens. Er ist nicht nur für die Kontrolle der Kontinenz von Bedeutung. Er spielt auch beim Sex eine wichtige Rolle:
Bei einer Frau entspannt er sich während des Geschlechtsverkehrs, beim Mann bei der Erektion. Bei einem Orgasmus pulsiert schließlich der gesamte Beckenboden: Anspannen und Entspannen wechseln sich dann ab.