Frag Wiedemann! Die Online-Sprechstunde – Folge 13: Die Senkung

Im Interview mit ACTICORE beantwortet Prof. Dr. med. Andreas Wiedemann Fragen rund um den Beckenboden. In der dreizehnten Folge geht es um die Senkung.

  • Prof. Dr. med. Andreas Wiedemann ist 1. Vorsitzender der Deutschen Kontinenz Gesellschaft, Chefarzt der Urologischen Klinik am evangelischen Krankenhaus Witten unterrichtet am Lehrstuhl für Geriatrie der Universität Witten/Herdecke.
  • In der Interviewserie "Frag Wiedemann" beantwortet er alle Fragen zum Thema Beckenboden, Blasenschwäche und Inkontinenz.
  • In Folge 13 geht es um die sogenannte Senkung.

Ligamente, Kompartimente und Co.: Wie kommt es zu einer Sekung?

 

Herr Prof. Wiedemann, mein Arzt hat mir gesagt, dass ich eine Senkung hätte – was ist darunter zu verstehen?

Normalerweise sind Blase, Scheide und Gebärmutter durch Sehnen, Bänder und Muskeln an ihrem normalen Platz: Die Scheide stützt zusammen mit sog. „Ligamenten“ die Harnröhre und die Blase, hinter und oberhalb der Blase befindet sich die Gebärmutter, unter der Scheide sitzt wiederum der Enddarm. Durch eine Bindegewebsschwäche, durch Geburten oder auch eine nachlassende Muskulatur kann es dazu kommen, dass diese „Architektur“ sich verändert.

 

Woran merke ich das?

Wenn ich als Frau z. B. in der Scheide ein Fremdkörpergefühl habe, etwas „drückt“ oder ich beim Waschen eine Beule taste, die vorher nicht vorhanden war, kann es sich um eine „Senkung“ handeln. Von einer Senkung des sogenannten „vorderen“ Kompartiments sprechen wir, wenn die Blase allein oder mit der Harnröhre sich durch die Scheidenvorderwand nach vorne wölbt, von einer Senkung des „hinteren“ Kompartiments, wenn das Gleiche mit dem Enddarm passiert. Das „mittlere“ Kompartiment ist nichts weiter als die Gebärmutter selbst, die in der Scheide nach unten tritt.

 

Kann ich dem vorbeugen?

In der Tat ist ein muskelstarker Beckenboden normalerweise der Garant für eine stabile Anatomie – neben der Intaktheit der vorhandenen Strukturen. Oftmals tritt deshalb eine Senkung auch nach Operationen wie der Gebärmutterentfernung auf. Dennoch: ein Normalgewicht und ein trainierter Beckenboden beugen einer Senkung vor.

Nicht gleich eine OP oder Pessare: Beckenbodentraining gegen leichte Formen einer Senkung

 

Und wenn "es" passiert ist – wann muss therapiert werden?

Das kommt darauf an. Ob z. B. eine Blasen- oder Darmentleerungsstörung resultiert, ob Beschwerden vorliegen und wie die Schleimhautverhältnisse sind. Bei leichten Senkungsformen wird nur ein Beckenbodentraining empfohlen, bei stärkeren Formen oder Sekundärproblemen muss manchmal operiert werden. Auch danach ist Beckenbodentraining wichtig, damit die „reparierte Anatomie“ nicht wieder an Halt verliert.

  

Und wenn ich mich nicht operieren lassen möchte oder eine Operation ein zu großes Risiko darstellen könnte?

Dann sind sog. Pessare eine gute Lösung. Es handelt sich um ringförmige oder würfelartige Hilfsmittel, die von der betroffenen Frau selbst vaginal eingeführt werden und die Blase bzw. den Enddarm stützen. Gut angepasst sind sie kaum spürbar und eine echte Alternative. Bei starken Senkungsformen und Frauen, die sich einen Wechsel nicht vorstellen können, kann ein Gynäkologe auch ein schalenförmiges Pessar einsetzen, das in der Praxis gewechselt wird.

  

Herr Prof. Wiedemann, vielen Dank!

Gerne.